Oidheadh Chlainne Lir – Die Kinder von Lir
Aus allen Teilen Irlands kamen die Könige und Fürsten nach Tara, dem Sitz des Hochkönig, denn es war der Tag der Königswahl. Als verkündet wurde, wer gewählt worden
war, jubelten sich die Edlen. Bobd Derg, man nannte ihn auch den Weisen und Gerechten, war neuer Hochkönig.
Fürst Lir von Finnacaid jedoch jubelte nicht. Denn er war überzeugt gewesen, die Wahl für sich entscheiden zu können. Gekränkt und grußlos verließ er den Saal und
zog sich auf seine Ländereien zurück.
Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm. Seine geliebte Gemahlin starb. Der Hochkönig Bobd Derg hörte davon und hatte Mitleid mit Lir. Der König hatte drei Ziehtöchter, eine schöner als die Andere: Aobh, Albhe und Aoife. Aobh war die älteste der drei Schwestern und wohl auch die schönste. Und so gab der Hochkönig ihm Aoibh zur Frau. Sie waren verliebt ineinander und ihre Liebe gebar ihnen vier Kinder: eine Tochter, Fionnuala und drei Söhne, Aodh und die Zwillinge Fiachra und Conn.
Doch wieder schlug das Schicksal zu und auch Aoibh starb nach kurzer Krankheit.
Lirs Herz schien gebrochen.
Bobd Derg hörte natürlich vom Tod seiner Tochter, Lirs Frau. Und wieder hoffte er, dessen Schmerz zu lindern, indem er die Zweitälteste, Aoife, zu ihm schickte, er
möge sie zur Frau nehmen. Doch ihre Liebe blieb ohne Frucht.
Aoife wurde eifersüchtig auf die Kinder, die ihren Vater über alles liebten und der sie wie nichts auf der Welt liebte. Aoife beschloss, die Kinder zu töten.
Doch sie brachte die grausame Tat nicht übers Herz und belegte die vier mit einem Bann: sie mögen fortan als Schwäne über die Seen Irlands ziehen, nie zur Ruhe
kommen und erst nach drei mal dreihundert Jahren, wenn die Prinzessin des Südens den Prinzen des Nordens heiraten würde, sollten sie erlöst werden. Dann jedoch würde ihr Alter sie rasch sterben
lassen.
So kam es, dass die vier Kinder in der Gestalt von weißen Schwänen auf den Seen Irlands umherirrten. Oft sah man sie am Felsen der Seehunde, ein
Schwanenweibchen das unter ihren Schwingen drei Schwäne vor dem kalten Wind schützte.
Lir jedoch war verwundert über das Verschwinden seiner geliebten Kinder. Er ließ sie überall suchen, doch waren sie nciht zu finden. Eines tages ritt er am Ufer
eines Sees entlang, auf dem vier Schwäne schwammen. Plötzlich hörte er eine Stimme, die ihn rief. Doch kein Mensch war zu sehen, nur die vier weißen Schwäne. Dann hörte Lir, wie der große Schwan
zu ihm sprach und ihm erzählte, was geschehen war. Traurig und wütend gab er den Schwänen Nüsse zu essen, die Zauberkraft in sich trugen. So konnten die Schwäne nun singen wie eine Lerche und
klagen wie eine Amsel. Seine Frau Aoife jedoch belegte er mit einem grausamen Fluch: sie wurde zu einer Dämonin der Lüfte. Rastlos braust sie seitdem über das Land, bringt Unheil und
Klagen.
Nach den 900 Jahren kam es, dass der König von Connacht, Lairgnen, Sohn des Colman Deoch, die Tochter von Finghin, zur Frau nahm. Damit erfüllte sich die
Prophezeiung von Aoife, dass der Prinz des Nordens die Prinzessin des Südens heiraten werde.
Endlich erlangten Fionnuala, Aodh sowie Fiachra und Conn ihre menschliche Gestalt zurück. Doch wie der Fluch es beabsichtigt hatte starben alle kurz darauf aufgrund
ihres hohen Alters. Begraben wurden sie so wie sie sich oft vor Sturm und Kälte Schutz gegeben hatten: Conn an rechten Seite Fionnualas, Fiachra an der linken & Aodh vor ihr zwischen
ihren Armen.